Milieustudie Neukölln
Zufall und Akt der Schöpfung
Wir sitzen hier im Freien werden bedient von einer Jungen Frau mit Maske
zwischen Bürgersteig und Park biegt sich eine Straße um die Kurve. Ich sitz am Tisch an der Wand linksseitig zum Eingang. Es spazieren Leute mit Regenschirm vor mir vorbei, Gäste, aber auch Touristen, Bewohner. An der Strassenecke steht ein weisser Lieferwagen, mit Arbeitern vom Bau, die das Café nützen, um WLAN zu haben; am Geländer an der Strasse zum Café schauen sie zu dritt türkische Musikvideos auf einem Handy. Meine Verbindung am Laptop geht dadurch langsamer…ich kann der Vorlesung aber auch mit den Folien folgen…Die schmutzig, staubige Schaufel des Arbeiters der zurückgekehrt ist von seinem Einsatz fällt auf den Beton der Straße und es scheppert. Der Bedienung fällt der kleine Silberlöffel des Cafe-Services herrunter. Diese Kontraste des metallernen Klanges! So nah beinander die Ausgangsmaterialen - Metall und Werkzeug - so unterschiedlich die Klasse der Herkunft des Ereignisses, nebeneinander die so krassen Unterschiede der Tätigkeiten.
Auch die Bedienten, nicht alle gleich:
eine Gruppe von jungen Freundinnen mit Baby - neben mir - die schon seit zwei Stunden hier auf den Bänken und am breiten Holztisch wie auf einer Alm-Hütte „residieren“, Geburtstag oder Wiedersehen oder einfach ihre Mädel-Freundschaft feiern? Gerade sagt die eine am Handy, sie wären den ganzen Tag schon hier und feierten Uni- Abschluss von einer. Es ist jetzt ungefähr vier. Angenehm warme Temperaturen. Um die Ecke an der Nordseite der Hausmauer, ein Date eines ‚2.0-Mulatten‘, kurze Hose, Sneakers und Käppy, mit einer sehr blonden Deutschen, die Probleme mit ihrem Chef in der Arbeit hat und darauf hofft, dass nun zumindest ihr Gegenüber ein ehrlicher Mann ist und zweifelt ob er denn auch ‚ehrliches’ Geld verdient…
Das Kleinkind am Nachbartisch schreit die Unzufriedenheit heraus. Die indi-Popmusik scheppert metallisch-belanglos aus dem Café-Innenraum heraus, wo auch noch ein Eis-Wagen drinnen steht und ein Tischwuzler und Corona-bedingt, aber auch wegen der guten Luft draussen - viele leere Couchsesseln. Dann bringt ein Regenguss tropische Stimmung in die Berliner Luft. Die Arbeiter mit dem kleinen mobilen Presslufthammer, dem Geisfuss, Hammer und der Schaufel räumen ihren Wagen ein. Machen Schluss. Die verstaubte weisse Arbeitskleidung gleicht irgendwie der eines Arztes im OP. Die Hämmer scheppern auf einander um den Staub abzukriegen. Ich löffel meinen Espresso Affogato aus. Autos bleiben stehen, die Linie 166, dann die Müllabfuhr, fahren vorbei, ein junger Türke mit so einem Share-Scooter nimmt dieselbe Kurve und fährt aber dann geradeaus weiter, in die Hasenheide hinein. Die Blumen blühen, die Mädchen kichern, die Covid-Kontaktnachverfolgungsliste auf meinem Tisch bleibt leer. Die Dame, ein Gast, die vorher schon so nah an mir um die Kurve gegangen ist, beinah den Tisch gestriffen hätte mit ihrem leichten Sommerkleid, um in das Restaraunt zu gelangen, geht schon wieder so nah an mir vorbei…
Es beginnt nun zu regnen. Ich bezahle. 3 Euro für einen Cappuchino, 3,50 Euro für den Espresso mit selbstgemachtem Vanilleis. Die leicht gestresste, aber sympathische, junge Chefin wünscht mir noch einen schönen Tag.
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