Posts

es kommt die wende

kein schnee im dezember keine schuhe mehr vor deiner tür ein herbst, der entfremdet anstatt zusammenführt eine nacht ohne ende wo bleibt es nur das licht das alles ändert weihnachten steht vor der tür christ-us, gibt‘s  uns? das schaf, den stall, die henne hat alles ein ende, außer wir?  nur mit dir kommt sie, die wende ich falte sie die hände auf dass der frühling komme  - das lamm, das fromme - erscheinen mag in betlehem am himmel hoch das sternbild forme damit ich weiss, da geht‘s zu dir ich mach mich auf den weg - frau holle schüttel fleissig deine wolle schert das schaf: es gibt! und du liegst fein in deinem bette, das kind, das schöne, das fette reichlich beschenkt bist du worden denn auf‘s leere folgt das volle, kehrt ein ins haus, ins tolle, koste es, was wolle! der sommer bringt seine frucht, hab zuversicht es wird das heilige kennt keine furcht es brennt  kennt  sein ziel  es muss und löscht -  aus...

Milieustudie Neukölln

Zufall und Akt der Schöpfung  Wir sitzen hier im Freien werden bedient von einer Jungen Frau mit Maske zwischen Bürgersteig und Park biegt sich eine Straße um die Kurve. Ich sitz am Tisch an der Wand linksseitig zum Eingang. Es spazieren Leute mit Regenschirm vor mir vorbei, Gäste, aber auch Touristen, Bewohner. An der Strassenecke steht ein weisser Lieferwagen, mit Arbeitern vom Bau, die das Café nützen, um  WLAN zu haben; am Geländer an der Strasse zum Café schauen sie  zu dritt türkische Musikvideos auf einem Handy. Meine Verbindung am Laptop geht dadurch langsamer…ich kann der Vorlesung aber auch mit den Folien folgen…Die schmutzig, staubige Schaufel des Arbeiters der zurückgekehrt ist von seinem Einsatz fällt auf den Beton der Straße und es scheppert. Der Bedienung fällt der kleine Silberlöffel des Cafe-Services herrunter. Diese Kontraste des metallernen Klanges! So nah beinander die Ausgangsmaterialen - Metall und Werkzeug - so unterschiedlich die Klasse der Herkunf...

Boulez Saal

Bild
Ganz fantastisch. Der Klaviersaal lebt wieder. Brahms lebt wieder. Rachmaninov lebt wieder,  es lebe der Bach!  Aber auch Sofia Gubaidulina lebt noch (89 Jahre alt!).. Alles ein grosser Zauber mit dem jungen Russen.   Keinerlei Manieriertheiten! Ach, wie ist das angenehm, wenn nichts von der Musik ablenkt. Auch auffallend wenig Huster, an dieser Stelle erwähnt, weil ja alle bemasknet waren. Ein klanglich ausdrucksstarker, äusserst besinnlicher Abend. Standing ovations aber dann doch zum Schluss. Ein Innehalten nach der Zugabe - ganz zart, der zweite Satz der 3. Sonate von J. Brahms - dann erst noch einmal standen beinah alle auf und gaben Applaus.  Wie ein Engel sitzt der kleine Kantorow am Klavier. Schmaler kann man die Beine nicht stellen, sonst würden die Füsse nicht die beiden äusseren Pedale mehr erreichen! Unglaubliches Zirkus-Schauspiel was in dieser Show geboten wird, wie gesagt, nicht um abzulenken auf sich, sondern um der Musik Stütze zu sein. G...

No white flag

Bild
keine Fahne mehr   am stolzen Dache  der HdK  am hohen Masten, der grün oxidiert, nur eine Schnur, die herunterbaumelt,  abgestumpft seine Spitze der weite Himmel ist es, der dem Bild Farbe verleiht.. er passt sich nur an,  lullt seine Künste ein kein Mendelssohn mehr,  kein Name von Rang, dessen Tongewalt dieses träge Mutterschiff   trägt, nur der brave Asiate, der sich im Überaum mit Debussy herumquält kein Zeichen, kein Gesicht, keine Form die auf dem Banner ansagt, woher der Wind weht, wie sich der Ton hier verhält, was hier geschieht weiss Gott wer … nichts mehr,  was die Welt bewegt weder Klang, noch Ruf, noch irgend etwas nach dem sich irgendjemand umdreht aller Zauber von jeher verpufft, verblichen,  verwaschen wie eine Blue-Jean gezählt die Tage, für immer dahin

Weihnachten: zelebrieren

Bild
(aus: François Cheng, 5 Méditationen über den Tod, anders gesagt: über das Leben, S.151f; Übersetzung &  Überschrift von mir ) Es bleibt uns jedoch noch zu zelebrieren     wie du es gemacht hast Das zu zelebrieren, was, aus uns  emporgeschossen,     noch nach dem offenen Leben ausstreckt Das, was unter getötetem Fleisch, Gedächtnis ausruft Das, was unter verschüttetem Blut, Gerechtigkeit ausruft Einziger Weg, in Wahrheit, wie wir noch     die Leidenden und Toten ehren könnten Jeder von uns ist Endlichkeit  Das Unendliche ist das, was aus uns heraus gebiert,    gemacht aus dem Unerwarteten, dem Unerhofften Das den Wunsch Übersteigende, das einen selbst Übersteigende zelebrieren Einziger Weg, in Wahrheit, wie wir noch das    initiale Versprechen halten könnten Die Frucht zelebrieren, weniger die Frucht selbst,     als ihren unendlichen Geschmack  Das Wort zelebrieren, weniger das...

..und die Bäume sehen zu:

Diese Frau wusste, dass sie in den nächsten Tagen werde sterben müssen..   Als ich mit ihr sprach war sie trotzdem heiter. „Ich bin meinem Schicksal dankbar dafür, dass es mich so hart getroffen hat“, sagte sie zu mir wörtlich; „denn in meinem früheren, bürgerlichen Leben war ich zu verwöhnt und mit meinen geistigen Ambitionen war es mir wohl nicht ganz ernst.“ In ihren letzten Tagen war sie ganz verinnerlicht. „Dieser Baum da ist der einzige Freund in meinen Einsamkeiten“, meinte sie und wies durchs Fenster der Baracke. Draußen stand ein Kastanienbaum gerade in Blüte, und wenn man sich zur Pritsche der Kranken hinabneigte, konnte man, durch das kleine Fenster der Revierbaracke, eben noch einen grünenden Zweig mit zwei Blütenkerzen wahrnehmen. „Mit diesem Baum spreche ich öfters“, sagte sie dann. Da werde ich stutzig und weiß nicht, wie ich ihre Worte zu deuten habe. Sollte sie delirant sein und zeitweise halluzinieren? Darum fragte ich neugierig ob der Baum ihr viellleicht auch an...

History repeating..

Samstag abend, halb 1. Zur Erniedrigung sind zwei Leute notwendig. Einer, der erniedrigt, und einer, den man erniedrigen will, oder vor allem: der sich erniedrigen läßt. Entfällt das letztere, ist also die passive Seite gegen jede Erniedrigung immun, dann verpuffen die Erniedrigungen in der Luft. Was übrigbleibt, sind nur lästige Verordnungen, die das tägliche Leben beeinflussen, aber keine Erniedrigung oder Unterdrückung darstellen, die die Seele bedrängen. Zu dieser Einstellung müste man die Juden erziehen. Ich radelte heute morgen über den Stadionkade, genoß den weiten Himmel über dem Stadtrand und atmete die frische nicht rationierte Luft. Und in der freien Natur überall Tafeln auf den Wegen, die für Juden gesperrt sind . Aber auch über dem einzigen Weg, der uns verblieben ist, wölbt sich der gesamte Himmel. Man kann uns nichts anhaben, man kann uns wirklich nichts anhaben. Man kann es uns recht ungemütilch machen, man kann uns der materiellen Güter berauben, auch der äußeren Bewe...